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Urteil Versicherungsgericht (SG - AVI 2008/65)

Zusammenfassung des Urteils AVI 2008/65: Versicherungsgericht

Die Beschwerdeführerin, eine Pflegefachfrau, wurde arbeitslos, nachdem ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Probezeit aufgelöst hatte. Die Arbeitslosenkasse stellte fest, dass die Versicherte durch eigenes Verschulden arbeitslos geworden sei, da sie die Mitwirkungspflicht verletzt habe. Die Beschwerdeführerin wehrte sich dagegen und argumentierte, sie habe keine Schuld an der Arbeitslosigkeit, da sie nicht selbst gekündigt habe. Das Gericht entschied, dass die Versicherte nicht nachgewiesen hat, dass sie die Kündigung eventualvorsätzlich herbeigeführt hat, und hob die Entscheidung der Arbeitslosenkasse teilweise auf. Es wurde festgestellt, dass eine Gesetzeslücke besteht bezüglich der Ermächtigung des Arbeitgebers zur Auskunftserteilung, und empfohlen, das Gesetz entsprechend anzupassen. Das Gericht entschied, die Angelegenheit zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, ohne Gerichtskosten zu erheben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AVI 2008/65

Kanton:SG
Fallnummer:AVI 2008/65
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AVI - Arbeitslosenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AVI 2008/65 vom 28.05.2009 (SG)
Datum:28.05.2009
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 44 Abs. 1 lit.a i.V.m. Art. 30 AVIV, Erhöhter Beweisgrad betreffend Verschulden. Entlassung muss mindestens eventualvorsätzlich herbeigeführt worden sein, wobei dieses Verhalten klar feststehen muss (überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt nicht). Verletzung der Mitwirkungspflicht durch Verweigerung der Ermächtigungserteilung begründet keinen Eventualvorsatz hinsichtlich Kündigung. Art. 28 Abs. 3 ATSG i.V.m. Art. 88 Abs. 1 lit. d AVIG: Ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke. Das Erfordernis, die Arbeitgeber in jedem Einzelfall zur Auskunftserteilung zu bevollmächtigen, würde in der Arbeitslosenversicherung zu einem sinn- und zweckwidrigen Ergebnis führen, namentlich bei der Abklärung einer selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit. Diese Lücke ist im Sinne der bisherigen Regelung zu füllen, zumal der Gesetzgeber mit der Einführung von Art. 28 Abs. 3 ATSG für den Bereich Arbeitslosenversicherung keine materielle Änderung der bisherigen Regelung von Art. 96 Abs. 1 aAVIG, beabsichtigte (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. Mai 2009, AVI 2008/65).
Schlagwörter: Arbeit; Arbeitgeber; Person; Auskunft; Auskunfts; Ermächtigung; Kündigung; Auskunftserteilung; Verhalten; Arbeitslosenversicherung; Anspruchs; Arbeitgebers; Mitwirkung; Abklärung; Anspruchsberechtigung; Verschulden; Bereich; Arbeitslosenkasse; Einstellung; Arbeitsverhältnis; Arbeitslosigkeit; Auskünfte; Einsprache; Hinweisen; Kündigungsgr; önne
Rechtsnorm: Art. 1 ZGB ;Art. 16 AVIG;Art. 28 ATSG ;Art. 30 AVIG;Art. 43 ATSG ;Art. 96 AVIG;
Referenz BGE:102 Ib 224; 112 V 245; 123 II 69; 124 V 236; 125 V 8; 127 V 38; 128 I 34; 129 V 1;
Kommentar:
Ueli Kieser, ATSG- Zürich , Art. 28 ATSG, 2009

Entscheid des Verwaltungsgerichts AVI 2008/65

Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen Marie Löhrer und Marie- Theres Rüegg Haltinner; a.o. Gerichtsschreiberin Arianne Lessmann

Entscheid vom 28. Mai 2009

in Sachen

S. ,

Beschwerdeführerin,

gegen

Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

betreffend

Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Arbeitgeberkündigung) Sachverhalt:

A.

    1. S. , von Beruf Pflegefachfrau DN II, meldete sich per 15. Mai 2008 erneut arbeitslos, nachdem ihr letztes Arbeitsverhältnis im Alters- und Pflegeheim A. vom Arbeitgeber während der Probezeit auf den 14. Mai 2008 aufgelöst worden war (act. G3.1/C29). Mit Kündigungsschreiben vom 9. April 2008 und Stellungnahme vom 11. Juli 2008 führte der Arbeitgeber dazu aus, es hätten verschiedene klärende Gespräche mit der Versicherten stattgefunden. Dabei sei festgestellt worden, er (der Arbeitgeber) habe den Erwartungen der Versicherten betreffend Ausgestaltung der Arbeit nicht entsprochen, denn die Versicherte habe sich mit den gegebenen Arbeitsabläufen auf der Abteilung nur schwer zu Recht gefunden. Sie habe viele Veränderungen angestrebt und habe wenig Geduld bei den Mitarbeitenden gezeigt, weshalb eine Mehrheit des Pflegeteams die Versicherte nicht genügend akzeptiert habe. Sodann sei es der Versicherten schwer gefallen, sich auf die kulturellen Begebenheiten der Abteilung einzulassen, weshalb am 27. März 2008 eine Standortbestimmung mit der Versicherten durchgeführt worden sei. Danach habe sich die Situation leider nicht verändert, worauf das Arbeitsverhältnis aufgelöst worden sei (act. G3.1/C14 und C18). Um ein Verschulden der Versicherten an der erneuten Arbeitslosigkeit abzuklären, gelangte die Arbeitslosenkasse mit Schreiben vom 17. Juli und 29. Juli 2008 an den Arbeitgeber (act. G3.1/C11 und 12). Mit Telefax vom 30. Juli 2008 teilte dieser mit, er könne eine interne Aktennotiz vom 27. März 2008, welche die gestellten Fragen mehrheitlich beantworten würde, nur aushändigen, wenn ihm die Versicherte eine entsprechende Ermächtigung erteile (act. G.3.1/C10). Daraufhin forderte die Arbeitslosenkasse die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Juli 2008, 26. August 2008 und 8. September 2008 auf, den Arbeitgeber schriftlich zu ermächtigen, im Rahmen der

      Verschuldensabklärung alle Auskünfte zu erteilen, die zur Klärung des Anspruchs erforderlich seien (act. G3.1/C5, C7 und C9). Mit Antwortschreiben vom 5. August 2008 verweigerte die Beschwerdeführerin die Erteilung der entsprechenden Vollmacht, weil es kein Verschulden ihrerseits zu klären gebe (act. G.3.1/C8). Mit Antwortschreiben vom 2. September bzw. 12. September 2008 knüpfte die Beschwerdeführerin eine Ermächtigung des Arbeitgebers zur Auskunftserteilung an die Bedingungen, dass sie auch Einsicht und Möglichkeit zu einer Stellungnahme erhalte bzw. zu ihrem Geld komme (act. G3.1/C4 und C6).

      Mit Verfügung vom 8. Oktober 2008 stellte die Arbeitslosenkasse die Versicherte ab 21. Mai 2008 für 25 Tage in der Anspruchsberechtigung ein, da sie durch eigenes Verschulden arbeitslos geworden sei. Indem die Versicherte ihre Einwilligung für die Abklärungen mit dem Arbeitgeber an gewisse Bedingungen geknüpft habe, habe sie ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Somit sei es der Arbeitslosenkasse nicht möglich gewesen, die genauen Kündigungsgründe herauszufinden und es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass die Versicherte tatsächlich durch ihr Verhalten dem Arbeitgeber Anlass für die Kündigung gegeben habe, denn ansonsten hätte sie die Ermächtigung erteilt (act. G3.1/C3).

    2. Mit Einsprache vom 11. Oktober 2008 machte die Versicherte geltend, die Verfügung sei willkürlich. Es treffe sie keine Schuld an der erneuten Arbeitslosigkeit, denn sie habe ja nicht selber gekündigt. Die Dynamik im Team sowie die bereits bestehenden Probleme seien nicht ihre Fehler, und sie sei angestellt worden mit der Option, eine Gruppenleitung übernehmen zu können (act. G3.1/C2).

Mit Einspracheentscheid vom 21. Oktober 2008 wies die Arbeitslosenkasse die Einsprache der Versicherten mit der Begründung ab, sie habe die Ausführungen des Arbeitgebers betreffend Kündigungsgrund nicht bestritten und es müsse somit davon ausgegangen werden, dass persönliche Umstände und Verhältnisse für die Kündigung massgebend gewesen seien (act. G3.1/C1).

B.

    1. Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die Beschwerde vom 26. Oktober 2008 mit dem sinngemässen Antrag, der Entscheid sei aufzuheben und auf eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei zu verzichten (act. G1). Zur Begründung werden im Wesentlichen die in der Einsprache vom 11. Oktober 2008 gemachten Ausführungen wiederholt (act. G3.1/C2). Ergänzend führt die Beschwerdeführerin aus, sie habe sich an die Regeln gehalten und sich stets um eine Anstellung bemüht. Die letzte Stelle habe sie angenommen, weil sie Aussicht auf eine Führungsaufgabe gehabt habe.

    2. Mit Beschwerdeantwort vom 24. November 2008 beantragt die Arbeitslosenkasse die Abweisung der Beschwerde, denn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nicht auf objektive Faktoren zurückzuführen sondern auf das persönliche Verhalten der Beschwerdeführerin, weshalb sie die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet habe (act. G3).

Erwägungen:

1.

    1. Nach Art. 30 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) ist die versicherte Person in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn sie durch eigenes Verschulden arbeitslos ist. Selbstverschuldet ist die Arbeitslosigkeit namentlich dann, wenn die versicherte Person durch ihr Verhalten, insbesondere wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [AVIV; SR 837.02]). Zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen eines Arbeitnehmers gehört es, die allgemeinen Anordnungen des Arbeitgebers und die ihm erteilten besonderen Weisungen nach Treu und Glauben zu befolgen (Art. 321d Abs. 2 des Schweizerischen Obligationenrechts [OR; SR 220]).

    2. Am 17. Oktober 1991 ist für die Schweiz das Übereinkommen Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über die Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 (nachfolgend Übereinkommen; SR

      0.822.726.8) in Kraft getreten. Gemäss Art. 20 lit. b des Übereinkommens können Leistungen verweigert, entzogen, zum Ruhen gebracht gekürzt werden, wenn die zuständige Stelle festgestellt hat, dass die betreffende Person vorsätzlich zu ihrer Entlassung beigetragen hat. Da diese Bestimmung inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, ist sie im Einzelfall direkt anwendbar und geht damit allfällig widersprechendem Landesrecht vor (BGE 124 V 236 f., Erw. 3c). Eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung setzt somit voraus, dass die versicherte Person vorsätzlich zu ihrer Entlassung beigetragen hat (Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; ab 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 26. April 2006, C 6/06, Erw. 1.1 und C 11/06, Erw. 1, je mit Hinweisen auf BGE 124 V 236 Erw. 3b). Im Sozialversicherungsrecht handelt vorsätzlich, wer eine Tat mit Wissen und Willen begeht, mindestens im Sinn des Eventualvorsatzes in Kauf nimmt (Jacqueline Chopard, Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung, Diss. Zürich 1998,

      S. 52). Eine zumindest eventualvorsätzliche Herbeiführung der Arbeitslosigkeit liegt beispielsweise dann vor, wenn die versicherte Person auf Grund einer Verwarnung weiss, dass ein bestimmtes Verhalten vom Arbeitgeber nicht – nicht mehr – toleriert und zu einer Kündigung führen wird, sie aber dennoch die ihr nach den persönlichen Umständen und Verhältnissen zumutbare Anstrengung zu einer Änderung des beanstandeten Verhaltens nicht aufbringt (vgl. BVR 1999 S. 379, Erw. 5c). Hat eine versicherte Person nur grob fahrlässig zur Kündigung durch den Arbeitgeber beigetragen, ist eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung gemäss Art. 20 lit. b des Übereinkommens nicht zulässig.

    3. Beim Einstellungsgrund nach Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV genügt der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht, sondern das der versicherten Person zur Last gelegte Verhalten muss klar feststehen (vgl. Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Rz 829 mit Hinweisen). Bei Differenzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermögen blosse Behauptungen des Arbeitgebers den Nachweis für ein schuldhaftes Verhalten der versicherten Person nicht zu erbringen, wenn sie von dieser bestritten werden und nicht durch andere Beweise Indizien bestätigt erscheinen (BGE 112 V 245, Erw. 1 mit Hinweisen; ARV 1993/94 Nr. 26 S. 183 f., Erw. 2a; Thomas Nussbaumer, a.a.O.,

Rz 831 mit Hinweisen).

2.

    1. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Beschwerdeführerin durch eigenes Verschulden erneut arbeitslos ist. Die Beschwerdeführerin macht dazu in ihrer Einsprache und in ihrer Beschwerde geltend, es treffe sie keinerlei Schuld, denn sie habe nicht selber gekündigt (act. G3.1/C2 und G1). Dem ist entgegenzuhalten, dass die versicherte Person gestützt auf Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV i.V.m. Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG in der Anspruchsberechtigung eingestellt werden kann, wenn sie durch ein ihr vorwerfbares Verhalten dem Arbeitgeber Anlass zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat. Die weitere Begründung der Beschwerdeführerin, sie habe sich stets um eine Anstellung bemüht und sie sei angestellt worden mit der Option, eine Gruppenleitung übernehmen zu können, ist nicht strittig, weshalb nicht weiter darauf einzugehen ist. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin im Bereich der Arbeitslosenversicherung zur Erfüllung der Schadensminderungspflicht grundsätzlich jede Arbeit annehmen muss (Art. 16 Abs. 1 AVIG). Im vorliegenden Verfahren zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerdeführerin durch ein Fehlverhalten dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben und die Kündigung wenn nicht provoziert, so doch zumindest im Sinne eines Eventualvorsatzes in Kauf genommen hat.

    2. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht seitens der Beschwerdeführerin sei es ihr nicht möglich gewesen, die genauen Kündigungsgründe zu erfahren. Diese Pflichtverletzung führe zur Annahme, die Beschwerdeführerin habe tatsächlich durch ihr Verhalten dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben, denn ansonsten hätte sie die Ermächtigung zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte gegeben (act. G3.1/C3). Der Beschwerdegegnerin ist insofern zuzustimmen, als die Angaben des Arbeitgebers betreffend Kündigungsgründe nur vage sind und konkretere Auskünfte nötig wären, um ein Verschulden der Beschwerdeführerin an der erneuten Arbeitslosigkeit beurteilen zu können (vgl. act. G3.1/C14 und C18). So bleibt etwa der Inhalt der verschiedenen klärenden Gespräche unbestimmt und es bleibt offen, ob der Arbeitgeber die Beschwerdeführerin (schriftlich) verwarnt und ihr die Kündigung angedroht hat. Richtig ist auch, dass die Beschwerdeführerin gemäss Art. 28 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR

      830.1) zur allgemeinen Mitwirkung beim Vollzug der Sozialversicherungsgesetze verpflichtet ist und unentgeltlich alle Auskünfte erteilen muss, die zur Abklärung des Anspruchs und zur Festsetzung der Versicherungsleistungen erforderlich sind. Bei ihrer Schlussfolgerung hingegen, die fehlende Mitwirkung bei der Abklärung führe zur Annahme, die Beschwerdeführerin habe tatsächlich durch ihr Verhalten dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben, übersieht die Beschwerdegegnerin das Erfordernis des erhöhten Beweisgrades betreffend Fehlverhalten. Die Beschwerdeführerin muss mindestens eventualvorsätzlich zu ihrer Entlassung beigetragen haben, wobei dieses Fehlverhalten klar feststehen muss, denn beim Einstellungsgrund des Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV genügt der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht (vgl. Erw. 1.2 und 1.3).

    3. Das Verhalten der Beschwerdeführerin und die Angaben des Arbeitgebers weisen zwar insgesamt darauf hin, dass die Beschwerdeführerin sich nicht an die Anordnungen und Weisungen des Arbeitgebers gehalten hat, damit ist das Verschulden an der Arbeitslosigkeit aber nicht hinreichend bewiesen. Wie die Beschwerdegegnerin selbst ausführt, war es ihr nicht möglich, die genauen Kündigungsgründe festzustellen. Folglich steht nicht klar fest, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Verhalten die Kündigung in eventualvorsätzlicher Weise in Kauf genommen hat. Allein die Verletzung der Mitwirkungspflicht durch Verweigerung der Ermächtigungserteilung begründet keinen Eventualvorsatz in Bezug auf die Kündigung. Daran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin die Kündigungsgründe der Arbeitgeberin nicht bestreitet. Insgesamt muss festgestellt werden, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht hinreichend erwiesen ist, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Verhalten die Kündigung eventualvorsätzlich verschuldet hat, weshalb die Einstellung in der Anspruchsberechtigung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG i.V.m Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV auf der vorhandenen Aktenlage zu Unrecht erfolgte.

3.

3.1 Es bleibt zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin den Sachverhalt im Sinne des

Untersuchungsgrundsatzes hinreichend abgeklärt hat. Im Rahmen der

Verschuldensabklärung teilte der Arbeitgeber der Arbeitslosenkasse mit Telefax vom

30. Juli 2008 mit, er könne eine interne Aktennotiz vom 27. Mai 2008, welche die gestellten Fragen betreffend Kündigungsgründe mehrheitlich beantworten würde, nur aushändigen, wenn ihm die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 28 Abs. 3 ATSG eine entsprechende solche Ermächtigung erteile (act. G.3.1/C10). Es stellt sich die Frage, ob eine Ermächtigung des Arbeitgebers für die Auskunftserteilung im vorliegenden Fall erforderlich ist.

      1. Nach dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 3 Satz 1 ATSG haben Personen, die Versicherungsleistungen beanspruchen, alle Personen und Stellen, namentlich Arbeitgeber (und andere Dritte) im Einzelfall zu ermächtigen, die Auskünfte zu erteilen, die für die Abklärung von Leistungsansprüchen erforderlich sind. Laut Satz 2 der Bestimmung sind diese (ermächtigten) Personen und Stellen zur Auskunft verpflichtet. Gegenstand von Art. 28 Abs. 3 ATSG ist die Mitwirkung Dritter an der Sachverhaltsabklärung, wobei diese von der versicherten Person im konkreten Leistungsfall zur Auskunftserteilung ermächtigt werden müssen (Ueli Kieser, ATSG- Kommentar, Zürich 2009, Art. 28 N36, mit weiteren Hinweisen). Eine explizite Ausnahmeregelung für den Bereich Arbeitslosenversicherung wurde nicht getroffen. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, wenn die Beschwerdegegnerin keine weiteren Abklärungen beim Arbeitgeber getätigt hat. Indessen frägt es sich, ob der Wortlaut den richtigen Sinn der Bestimmung wiedergibt bzw. ob im Bereich der Arbeitslosenversicherung von einer gesetzlichen Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit auszugehen ist (vgl. BGE 129 V 1, Erw. 4.1; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich 2006, Rz 237 ff.). Nach neuerer Auffassung der Methodenlehre wird auf die Unterscheidung zwischen echter und unechter Lücke verzichtet. Eine Lücke wird als planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes bezeichnet, die von den rechtsanwendenden Organen nach Massgabe der dem Gesetz selbst zu Grunde liegenden Zielsetzungen und Werte geschlossen werden darf (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., Rz 243, mit weiteren Hinweisen). Das Bundesgericht hat diesen neueren Lückenbegriff übernommen (BGE 102 Ib 224, Erw. 2; BGE 123 II 69, Erw. 3c), unterscheidet aber zuweilen immer noch zwischen echten und unechten Lücken (BGE 128 I 34, Erw. 3; BGE 127 V 38, Erw. 4b/ cc; BGE 125 V 8, Erw. 3; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., Rz 246, mit weiteren Hinweisen).

      2. Die in Art. 28 ATSG geordneten allgemeinen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten der leistungsbeanspruchenden Person sowie von Dritten ergänzen den Untersuchungsgrundsatz von Art. 43 Abs. 1 ATSG, wonach der Versicherungsträger die Begehren prüft, die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vornimmt und die erforderlichen Auskünfte einholt (Ueli Kieser, a.a.O., Art. 43 N9, mit weiteren Hinweisen). Art. 28 Abs. 1 ATSG hält den Grundsatz der unentgeltlichen Mitwirkung der versicherten Person und des Arbeitgebers fest. Darunter fallen insbesondere die Auskunftserteilung, die Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen die Pflicht, eine Sachdarstellung abzugeben (Ueli Kieser, a.a.O., Art. 28 N19). Während Art. 28 Abs. 2 ATSG die Pflicht zur Auskunftserteilung der leistungsbeanspruchenden Person festhält, bezieht sich Abs. 3 auf die Mitwirkung Dritter an der Sachverhaltsabklärung. Dabei statuiert Abs. 3 gleichzeitig das Erfordernis der Ermächtigung von Dritten zur Auskunftserteilung sowie die Verpflichtung der leistungsbeanspruchenden Person dem Dritten diese Ermächtigung zu erteilen. Als verfahrensrechtliche Konsequenz bei einer Verletzung der Auskunfts- Mitwirkungspflicht kann der Versicherungsträger gemäss Art. 43 Abs. 3 ATSG aufgrund der Akten verfügen einen Nichteintretensentscheid fällen. Diese verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sind auf das Abklärungsverfahren im Leistungsbereich, jedoch nicht auf Sanktionen im Arbeitslosenversicherungsrecht zugeschnitten. Die Bestimmung ist sodann nur massgebend, wenn die Pflichtverletzung auf die leistungsbeanspruchende Person selber, nicht aber auf jene einer Drittperson zurückgeht (Ueli Kieser, a.a.O., Art. 43 N49 f.). Bezüglich Arbeitgeber wird in Art. 88 Abs. 1 lit. d AVIG lediglich festgehalten, dass sie die vorgeschriebene Auskunfts- und Meldepflicht erfüllen. Hingegen fehlt im AVIG eine explizite Ausnahmeregelung zu Art. 28 Abs. 3 ATSG bezüglich Auskunftserteilung des Arbeitsgebers.

      3. Bis zum Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 war die Auskunftspflicht im Bereich Arbeitslosenversicherung in Art. 96 Abs. 1 aAVIG geregelt. Danach waren Leistungsempfänger, ihre gesetzlichen Vertreter und die Arbeitgeber verpflichtet, den Kassen und den zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die nötigen Unterlagen vorzulegen. Eine Ermächtigung zur Auskunftserteilung durch die leistungsbeanspruchende Person war dagegen nicht erforderlich. In Art. 88 Abs. 1 lit. d aAVIG wurde mit Verweis auf Art. 96

        festgehalten, dass Arbeitgeber die vorgeschriebene Auskunfts- und Meldepflicht erfüllen. Mit Inkrafttreten des ATSG wurde Art. 96 Abs. 1 aAVIG ersatzlos aufgehoben, da dessen Regelungsgehalt in Art. 28 Abs. 1 und 3 ATSG normiert werde. Die Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit führte in ihrem Bericht aus, die Ermächtigung sei notwendig, wenn es um Stellen und Personen gehe, bei denen ein Berufs- Amtsgeheimnis tangiert sei Datenschutzgründe entgegenstünden. Dabei ging man davon aus, dass jene Person, die Rechte geltend mache, die Ermächtigung zur Auskunftserteilung im eigenen Interesse erteilen werde, weil ansonsten ihre Rechte nicht festgesetzt die geforderten Leistungen verweigert werden könnten (Bericht Nr. 85.227 der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit zur Parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht vom 26. März 1999, S. 62 f. und 219 [BBl 1999 4523]). Dabei wurde offensichtlich nicht beachtet, dass im Bereich der Arbeitslosenversicherung ein Sanktionssystem besteht, mit welchem bereits festgelegte bzw. bestehende Rechte der versicherten Person beschränkt werden sollen. Dass auch in diesem Bereich neu das Erfordernis der Ermächtigung zur Auskunftserteilung durch die allenfalls zu sanktionierende Person eingeführt werden sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Es liegt nahe, hier von einem gesetzgeberischen Versehen auszugehen. Zu verlangen, dass eine Person, die eine Sanktion zu gewärtigen hat, zu deren Grundlage ihr Einverständnis zu erklären bzw. die Arbeitgeberschaft zur Auskunftserteilung zu ermächtigen habe, erscheint zweckwidrig. Namentlich kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe mit Art. 28 ATSG eine vollständig neue Regelung bei der Arbeitslosenversicherung einführen wollen, ohne dass dies in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommen wäre. Die Aufhebung von Art. 96 aAVIG scheint aus koordinationsrechtlicher Sicht erfolgt zu sein, weil man davon ausging, mit der allgemeinen Regelung von Art. 28 ATSG erübrige sich eine spezialgesetzliche Normierung der Auskunftspflicht der Arbeitgeber. Inzwischen scheint in der Praxis eine Kontroverse zur Interpretation von Art. 28 Abs. 3 ATSG im Bereich des Sanktionenrechts entstanden zu sein. Zur Klärung der Situation fordert nämlich das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO in der Vernehmlassung zur Teilrevision des AVIG, dass Art. 88 Abs. 1 lit. d AVIG mit folgendem Satz ergänzt wird: "In Abweichung von Artikel 28 Absatz 3 ATSG bedarf es hierzu keiner Ermächtigung durch die Versicherungsleistungen beanspruchende Person."

      4. Zusammenfassend ist bezüglich der hier zu prüfenden Frage, ob eine Ermächtigung des Arbeitgebers für die Auskunftserteilung auch für den Bereich Arbeitslosenversicherung erforderlich ist, festzustellen, dass eine planwidrige Unvollständigkeit des AVIG, mit anderen Worten eine Gesetzeslücke, vorliegt. Das Erfordernis, den Arbeitgeber namentlich für die Abklärung, ob eine Sanktion im Sinne von Art. 30 AVIG auszufällen sei, zur Auskunftserteilung zu bevollmächtigen, würde in der Arbeitslosenversicherung zu einem sinn- und zweckwidrigen Ergebnis führen.

    1. Die Gesetzeslücke ist vom Gericht gestützt auf Art. 1 Abs. 2 ZGB zu füllen, indem es eine Regel aufstellt, die es als Gesetzgeber auch aufstellen würde. Unter Würdigung aller Umstände, besteht die einzige sinnvolle und praktikable Lösung darin, das AVIG entsprechend dem Vorschlag des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO dahingehend zu ergänzen, dass Arbeitgeber im Bereich Arbeitslosenversicherung für die Erfüllung der vorgeschriebenen Auskunfts- und Meldepflicht im Sinne von Art. 88 Abs. 1 lit. d AVIG in Abweichung von Art. 28 Abs. 3 ATSG keiner Ermächtigung durch die leistungsbeanspruchende Person bedürfen. Demnach ist der Arbeitgeber im vorliegenden Fall auch ohne Ermächtigung durch die Beschwerdeführerin verpflichtet, alle Auskünfte zu erteilen, die zur Klärung des Anspruchs erforderlich sind.

    2. Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob Art. 28 Abs. 3 ATSG einschränkend auszulegen wäre mit der Folge, dass eine Ermächtigung nur auf Fälle anwendbar ist, in denen eine besondere Geheimhaltungspflicht (wie Amts- Berufsgeheimnis) besteht (vgl. Ueli Kieser, a.a.O., Art. 28 N40 und 44).

4.

Im Sinne der obigen Erwägungen ist in teilweiser Gutheissung der Beschwerde der Einspracheentscheid vom 21. Oktober 2008 aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Abklärung und allfällig neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG

entschieden:

1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom

21. Oktober 2008 aufgehoben.

  1. Die Angelegenheit wird zur weiteren Abklärung und allfällig neuen Verfügung an

    die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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